Öko-Institut e.V.
Bereich Reaktorsicherheit

Bericht über

Anlagenzustand und radiologische Bewertung der früheren Urangewinnungsanlagen am Standort Mailii Su (Kirgisstan)

Dezember 1997

im Auftrag der
Friedrich-Ebert-Stiftung, Büro Bischkek (Kirgisstan)

von
Ing.(grad.) Gerhard Schmidt
Öko-Institut e.V.
Rheinstr. 95
D-64295 Darmstadt
Tel. +49-6151-8191-17
Fax +49-6151-8191-33
E-Mail g.schmidt [æt] oeko.de

Inhaltsverzeichnis

1 Anlaß und Aufgabenstellung

2 Geschichte, Ausgangsbedingungen und Anlagen
2.1 Geschichte und Entstehung
2.2 Untertageanlagen
2.3 Aufbereitungsanlagen
2.4 Armerz- und Abraumhalden
2.5 Tailingsdeponien (Schlammabsetzanlagen)
2.6 Zusammenfassende Bewertung der Anlagen und Deponien

3 Anlagenzustand und radiologische Erstbewertung
3.1 Umfang und Qualität der vorhandenen Datenbasis
3.2 Luftpfad
3.3 Wasserpfad
3.4 Nahrungspfad
3.5 Katastrophengefahr
3.6 Möglichkeiten zur Verbesserung der Datenbasis
3.7 Zusammenfassende radiologische Erstbewertung

4 Lösungsmöglichkeiten
4.1 Zeitperspektiven und Anforderungen
4.2 Möglichkeit 1: Ablagerung in einem untertägigen Grubenbau
4.3 Möglichkeit 2: Provisorische Umlagerung
4.4 Möglichkeit 3: Langzeitstabile Neuordnung
4.5 Radiologische Anforderungen bei Umlagerungen

5 Empfehlungen

1 Anlaß und Aufgabenstellung

Die Friedrich-Ebert-Stiftung unterhält in Zentralasien verschiedene Büros, die an der politischen Meinungsbildung und der demokratischen Neugestaltung der ehemaligen Sowjetrepubliken mitwirken. Im Rahmen dieser Mitwirkung werden auch verschiedene Umweltprobleme thematisiert. Im Anschluß an Arbeiten des Rechtsbereiches des Öko-Institutes e.V. zur Gestaltung der Umweltgesetzgebung des Landes ergaben sich u.a. auch Fragestellungen in Bezug auf Altlasten aus der früheren Urangewinnung in der Republik Kirgisstan. Aufgrund der einschlägigen Erfahrungen auf dem Gebiet der radiologischen Bewertung von Uranaltlasten wurde der Reaktorsicherheitsbereich des Öko-Institutes e.V. von der Friedrich-Ebert-Stiftung damit beauftragt, bei einer Veranstaltung in Bischkek über die Erfahrungen mit der Sanierung von Uranaltlasten in Deutschland zu berichten. Im Zusammenhang mit dieser Reise wurde es dem Verfasser durch die Friedrich-Ebert-Stiftung ermöglicht, die Uranaltlasten im südlichen Landesteil Kirgisstans in Augenschein zu nehmen. Auf diesem Wissenstand soll eine Erstbewertung der radiologische Situation erfolgen und einen Bericht über die Lage angefertigt werden. Dieser Bericht wird hiermit vorgelegt.
Die Hinterlassenschaften des Uranerzbergbaues im Süden Kirgisstans wurden vom Verfasser am 28. und 29.4.97 unter fach- und ortskundiger Begleitung durch Issakbek A. Torgoev (Scientific Engineering Centre »GEOPRIBOR« in der Akademie der Wissenschaften Kirgisstan, Bischkek) begangen. Als Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung und sprachkundiger Übersetzer nahm Igor Trutanov (Büro Almaty/Tadschikistan) an der Reise teil, der sich an viele ungewohnte Begriffe aus der »Uranexpertensprache« annähern mußte. Ich danke den beiden Begleitern für die ausgezeichnete Hilfe und die sehr gute und überaus angenehme Zusammenarbeit. Sie haben wesentlichen Anteil an der erfolgreichen Durchführung dieses Vorhabens. Die vorbereitenden Arbeiten für die Reise wurden dankenswerterweise vom Büro Bischkek der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt.
Der Bericht ist nach den folgenden Bereichen gegliedert:
In Kapitel 2 werden die Standortverhältnisse und die verschiedenen Anlagen einschließlich des historischen Hintergrundes beschrieben. Eine radiologische Erstbewertung unter Identifikation der relevanten Gefahrenmomente wird in Kapitel 3 vorgenommen. Die Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr und des weiteren Vorgehens zur Verbesserung werden in Kapitel 4 behandelt. In Kapitel 5 werden die Ergebnisse zusammengefaßt.

Titel Inhaltsverzeichnis Kapitelanfang

2 Geschichte, Ausgangsbedingungen und Anlagen

In diesem Kapitel werden zunächst die geschichtlichen Rahmenbedingungen beschrieben, die zur Entstehung der bergbaulichen Aktivitäten am Standort Mailii Su geführt haben.
In weiteren Kapiteln werden die Untertageanlagen zur Erzgewinnung (Kapitel 2.2), die Anlagen zur Uranerzaufbereitung (Kapitel 2.3), die Abraum- und Armerzhalden (Kapitel 2.4) sowie die Tailingsdeponien (Kapitel 2.5) beschrieben und dabei jeweils die potentiellen Problembereiche identifiziert, die bei der späteren radiologischen Bewertung zu beachten sind.
In Kapitel 2.5 sind die Charakteristika der Anlagen und Deponien kurz zusammengefaßt.

2.1 Geschichte und Entstehung

Nach der Entdeckung der Atomspaltung befaßten sich Anfang der Vierziger Jahre auch sowjetische Wissenschaftler mit der Möglichkeit, diese für die Konstruktion von Bomben zu nutzen. Nach der Zündung der ersten amerikanischen Atombombe im Süden von New Mexico Anfang 1945 war die Realisierbarkeit erwiesen und es setzte auf Betreiben des NKWD-Chefs Berija eine erhebliche Beschleunigung der sowjetischen Bemühungen um eine Atombombe ein. Zentraler Engpaß war zu dieser Zeit die Verfügbarkeit von ausreichenden Mengen an Uranmetall («Uranlücke«). Sowohl das gesamte sowjetische Staatsgebiet als auch die von der Roten Armee besetzten Staaten wurden von sowjetischen Geologen auf mögliche Vorkommen von Uran untersucht, Erz wurde hektisch gefördert und Ende 1945/Anfang 1946 wurde in wenigen Monaten Aufbereitungsanlagen für die Weiterverarbeitung der Uranerze errichtet und betrieben.
Die Sowjetunion verfügte zu diese Zeitpunkt nur über wenige eigene Vorkommen von Uran. Neben wenigen anderen Standorten wurden die bereits früher bekannten Carnotit-Vorkommen im Fergana-Tal unter Einsatz von einigen Zehntausend vor allem deutscher Zwangsarbeiter erschlossen und Erzaufbereitungsanlagen aufgebaut. (Zur geographischen Lage von Kirgisstan und Mailii Su siehe Abbildung).
Kirgisstan-Karte
In der zu diesem Zweck errichteten »Geschlossenen Stadt« Mailii Su im gleichnamigen engen Flußtal am nordöstlichen Rand des Fergana-Tales wurde sowohl das vor Ort vorkommende Erz abgebaut als auch dorthin transportiertes Uranerz aus der sowjetisch besetzten Zone (Erzgebirge, Deutschland), aus Jachymov (Joachimstal/Böhmen, CSFR), aus Bulgarien sowie importierte Uranerze aus China weiterverabeitet. Das Carnotit-Vorkommen vor Ort selbst, ein uranhaltiges Kalkgestein, erwies sich als von geringer Urankonzentration, während besonders das aus der SBZ stammende Erz anfänglich sehr hohe Gehalte aufwies. Die Verarbeitung ausländischer Erze erfolgte in Mailii Su besonders in den frühen Jahren, als die Aufbereitung der Erze selbst in den ausländischen Bergbaugebieten entweder noch nicht aufgebaut war (SBZ) oder aufgrund drohender politischer Unsicherheiten noch nicht aufgebaut werden konnte. Die Aufbereitungsrückstände aus der Verarbeitung der Erze verschiedener nationaler Herkunft lassen sich aufgrund der getrennten Ablagerung in einzelnen Deponien noch heute zuordnen (siehe Kapitel 2.5).
Uranerzbergbau und Erzaufbereitung wurden am Standort Mailii Su im Jahr 1968 vollständig eingestellt, nachdem die am Standort selbst vorhandenen geringen Uranvorräte unbedeutend wurden und nachdem vor allem aufgrund der hohen Förderung in der DDR und dem Aufbau sehr großer Erzaufbereitungsanlagen vor Ort sowie wegen der politischen Stabilisierung der Warschauer-Pakt-Staaten eine kontinuierliche Uranversorgung gewährleistet war.

2.2 Untertageanlagen

Der Bergbau auf Uran erfolgte vorwiegend untertägig, wobei der Zugang zu den Lagerstätten in dem sehr bergigen Gelände vor allem durch horizontale Zugänge erfolgte und der Bergbau der gangartigen Lagerstätte folgte. Wie im Falle des erzgebirgischen Uranabbaues erfolgte der Abbau mangels Mechanisierung unter Einsatz von sehr vielen Arbeitskräften. Die Anlagen sind noch weitgehend vorhanden, mangels Plänen und bergsicherheitstechnischer Instandhaltung allerdings in einem weitestgehend unbekannten Zustand.
Über die Untertageanlagen liegt bei den krigisischen Stellen keine Dokumentation vor, da alle Unterlagen vom früheren sowjetischen Ministerium für Mittleren Maschinenbau geführt wurden. Die Zugänge zu den Untertageanlagen sind heute noch vorhanden und, soweit bei der Begehung erkennbar war, völlig offen und für jedermann zugänglich. Die Untertageanlagen sind aus sicherheitstechnischer und radiologischer Sicht für vier Aspekte relevant: erstens als Quelle für den Aufbau und die Ausgasung von Radon in die Umgebung, zweitens wegen der Gefahr von Tagesbrüchen (Zusammenbruch untertägiger Hohlräume mit Verwerfungen bis an die Oberfläche), drittens wegen der allgemeinen Zugänglichkeit als Auslöser für Radonbelastungen beim Begehen z.B. durch spielende Kinder und viertens wegen der Möglichkeit, daß bei Zusammenbrüchen untertägiger Anlagen auch Gelegenheitsbesucher verletzt werden oder zu Tode kommen können.

2.3 Aufbereitungsanlagen

Am Standort Mailii Su waren zur Betriebszeit zwei chemische Aufbereitungsanlagen vorhanden, in denen Erze zunächst fein gemahlen wurden und das Uran aus dem feinen Gesteinsmehl dann mit Schwefelsäure herausgelöst wurde. Die im Tal abwärts am nähesten an der Stadt vorhandene Aufbereitungsanlage (siehe Bild 14) wurde nach der Einstellung des Uranabbaues zu einer Fabrik für elektrische Isolierstoffe umgebaut, die auch heute noch in Betrieb ist. Die zweite, offensichtlich später errichtete zweite Aufbereitungsanlage (siehe Bild 11) ist weiter talaufwärts gelegen. Sie wurde mittels zweier Sprengungen später unbrauchbar gemacht. Die Ruine ist jedoch wegen offenbar unzulänglicher Sprengtechnik und sehr widerstandsfähiger Stahlarmierung noch teilweise zugänglich und nicht gegen Eindringen abgesperrt. Der Dekontaminationszustand im Innern der gesprengten Anlage ist nicht bekannt, er wurde im Rahmen der durchgeführten Begehung aus Sicherheitsgründen auch nicht näher erkundet.

2.4 Armerz- und Abraumhalden

Abraum ist gering uranhaltiges Gestein, das aus der Erschließung der untertägigen Bergbauanlagen auf dem Weg zu den ergiebigeren uranhaltigen Erzgängen anfällt. Armerz ist Gestein, das zwar aus der Grube gefördert wurde, jedoch wegen seines zu geringen Urangehaltes nicht mechanisch und chemisch aufbereitet wurde.
Abraum und Armerz wurden in Mailii Su in der Regel direkt neben den jeweiligen Tagesöffnungen der Untertageanlagen abgelagert. Aufgrund des unregelmäßigen Verlaufes der Lagerstätte und wegen der Vielzahl der Zugänge existieren auch eine größere Anzahl dieser Halden (acht Stück) in den Tälern und Seitentälern. Sie wurden meist ohne jede systematische Vorplanung aufgeschüttet und liegen oft auch an Steilhängen und in Bächen kleiner Seitentäler. Die von uns begangenen Abraum- und Armerzhalden sind nicht abgedeckt und weisen teilweise sehr steile Böschungen auf. Bei Stichprobenmessungen der Ortsdosisleistung direkt an der Oberfläche von solchen Halden wurden von uns ohne besondere Mühe sehr hochprozentige Carnotit-Mineralien vorgefunden, so daß davon ausgegangen werden muß, daß die Trennqualität zwischen Armerz und aufbereitungswürdigem Erz sehr gering war und sich größere Uraninventare in solchen Halden befinden können.
Sie sind für jedermann ohne Hindernis zugänglich und werden wie die gesamte Umgebung auch als Weidefläche genutzt. Es wird davon berichtet, daß in einigen öffentlichen Gebäuden in Mailii Su erhöhte Ortsdosisleistungen gemessen werden können, so daß die Verwendung von Haldenmaterial für Bauzwecke sehr wahrscheinlich ist. Als Auswirkungen aus sicherheitstechnischer und radiologischer Sicht sind daher Verwendungen von Haldenmaterial im Haus- und Straßenbau, Auswaschungen von Schadstoffen in Bäche und Flüsse sowie der Übergang von Schadstoffen in Weidepflanzen zu betrachten.

2.5 Tailingsdeponien (Schlammabsetzanlagen)

Als Tailings werden die Erzreste bezeichnet, die nach der mechanischen Zerkleinerung des Uranerzes und der chemischen Extraktion des Urans mittels Schwefelsäure verbleiben. Sie enthalten neben dem verbliebenen restlichen Uran auch radioaktive Folgeprodukte der Uranreihe sowie giftige Schwermetalle als Nebenbestandteile (Begleitmetalle). Die Säurereste in dem schwefelsauer gelaugten Gesteinsschlamm wurden in den Aufbereitungsanlagen in Mailii Su mittels Kalk neutralisiert, die Mischung aus Gesteinsschlamm und gebildetem Gips wurde als feinstkörniger Schlamm hinter Dämmen deponiert, das sich absetzende Wasser wurde wieder im Produktionsprozeß verwendet.
Am Standort existieren 23 kleinere und größere Deponien für diese schlammartigen Aufbereitungsrückstände (siehe Abbildung). Die einzelnen Deponien sind, vermutlich geordnet nach dem Zeitpunkt ihrer Errichtung, fortlaufend numeriert, sie werden in diesem Bericht mit dem Zeichen »#« und der jeweiligen Nummer bezeichnet. (Diese Bezeichnungsweise entspricht nicht dem Originalgebrauch und wird hier nur für eine leichtere und raschere Identifizierung verwendet.) Als Beispiel für eine Deponie in einem Seitental siehe Deponie #14.
Tailings-Karte
Das Volumen der einzelnen Deponien reicht von sieben sehr kleinen, offenbar ungeplant errichteten Haufen (z.B. #17: 1.000 m³, #21 und #22: 2.000 m³) über mehrere größere, geplant errichtete Einheiten (#3: 110.000 m³, #9: 115.000 m³) bis zu größeren Deponien, die im internationalen Größenvergleich allerdings eher als kleinere bis mittlere Größen bezeichnet werden würden (größte Deponie #7, siehe Bild 4 und Bild 5: 1,4 Mio m³). Zum Vergleich sind in den Vereinigten Staaten die größten Tailingsdeponien etwa 20 Mio. m³, in der ehemaligen DDR bis zu 70 Mio. m³ groß. Die 23 Deponien von Mailii Su umfassen zusammen ein Volumen von etwa 1,9 Mio. m³ und entsprechend eine Masse von etwa 2,3 Mio. t Tailings.
Kleinere Schlammdeponien sind, vor allem in der unmittelbaren Umgebung der talabwärts gelegenen Aufbereitungsanlage, »wild« abgelagert, liegen z.T. im Überschwemmungsbereich des Flusses und sind nur gering überdeckt. Die größeren Deponien wurden in Mailii Su jeweils nach folgendem Schema abgelagert (siehe beispielhaft das Bild der Deponie #3 sowie ein weiterer Blickwinkel):

  1. Die Standorte liegen in Seitentälern und sind von drei Seiten von natürlichen Bergen umgeben.
  2. Zum Flußtal hin wurde ingenieurmäßig zunächst ein kleiner Starterdamm errichtet.
  3. Dann wurden Tailingsschlämme hinter dem Starterdamm abgelagert, die festen Anteile setzten sich nach unten ab, die Flüssigkeit setzte sich oben ab und wurde entfernt.
  4. Mit zunehmender eingelagerter Menge wurde der Damm aus Teilen des Tailingsschlammes selbst erhöht, er weist eine Steilheit von etwa 2:1 (vertikal:horizontal) auf. Nach Abschluß wurde auf dem Damm eine Schicht größere Kiesel aufgebracht (vermutlich zum Erosionsschutz).
  5. Die größeren Deponien sind heute jeweils mit einer Kiesschicht von ca. 40 cm Dicke und darüber mit einer Tonschicht von etwa 60 cm Schichtdicke überdeckt. Die Tonschicht ist teilweise, besonders an den Seiten, mit abgeschwemmtem Material von den angrenzenden Berghängen überdeckt und weist eine zum Vergleich zur übrigen Bodenlandschaft vergleichsweise dichte Grasvegetation auf (Speicherwirkung der Tonschicht für Wasser).
  6. In der unterliegenden Kiesschicht liegen Drainagerohre aus Stahl, die jedoch alle verrostet, mit Schlamm verstopft und daher heute funktionslos geworden sind.
  7. In den regenreichen Jahreszeiten auf der Deponiefläche aufgestautes Regenwasser sammelt sich an einem der beiden abschüssig errichteten Dammenden, an dem ein Betonbauwerk für einen Abfluß des Wassers am Damm vorbei sorgt. Alle Tailingsdeponien sind für jedermann frei zugänglich und werden wegen der vergleichsweise üppigen Vegetation als Weidefläche für Rinder und Ziegen genutzt.

Das Eigentum an allen Tailingsdeponien wurde auf das Kirgisische Gold-Kombinat übertragen. Allerdings wurden mit der Übertragung keine Mittel bereitgestellt, die für eine ausreichende Wartung der Anlagen oder gar für eine langfristige Stabilisierung solcher Einrichtungen erforderlich wären.

Eine Besonderheit in mehrfacher Hinsicht stellt die Deponie #3 dar (siehe Bild 1). Sie stammt aus der Aufbereitung von sächsischem Erz, das als solches an diesen Standort gebracht und dort aufgearbeitet wurde (das in der Sowjetisch Besetzten Zone gewonnene Erz wurde als Reparationsleistung betrachtet und von der Tarngesellschaft »Sowjetische Aktiengesellschaft SAG Wismut« anfangs als solches unaufbereitet abtransportiert). Nach der Aufbereitung in Mailii Su wurden die Tailings in der Deponie #3 abgelagert, sie enthält mit 650 TBq (TBq = Terabecquerel = 1012 Bq) bei weitem die größte Radioaktivitätsmenge aller Deponien. Die Gesamtaktivität aller 23 Deponien zusammen beträgt ca. 1.100 TBq, #3 enthält alleine etwa 60% dieser Gesamtaktivität. Gegenüber den am Standort selbst vorgefundenen Erzen, den später im Süden Ostdeutschlands gewonnenen Erzen und den weltweit verarbeiteten durchschnittlichen Erzgehalten handelte es sich vermutlich um handverlesen reines Erz. Es ist zu vermuten, daß das Material zumindest teilweise aus der erneuten Bearbeitung von Halden aus dem mittelalterlichen Silbererzbergbau stammt, in denen Pechblendeanteile wegen ihres damaligen negativen Wertes mit abgelagert wurde (das Auftreten der Pechblende signalisierte dem mittelalterlichen Bergmann das Ende des Silbererzganges).
Eine weitere Besonderheit ist, daß von den ursprünglich ca. 150.000 t Tailings eine Teilmenge nochmals mit einer Seilbahnförderanlage in die Aufbereitungsanlage gebracht wurde, um das Material nochmals einer Uran-Extraktion zu unterziehen. Vermutlich erfolgte dies wegen des noch immer sehr hohen Restgehaltes an Uran, der nach der ersten Extraktion verblieb. Die nochmalige Aufarbeitung war einerseits wegen des hohen Ausgangsgehaltes und andererseits wegen der wahrscheinlich noch nicht sehr vollständigen ersten Abtrennung aussichtsreich. Wegen dieser zweiten Extraktion umfaßt #3 heute nur noch 110.000 t Tailings.
Die dritte Besonderheit dieser Deponie besteht darin, daß ihre mechanische Stabilität am höchsten gefährdet ist. Dieser Aspekt wird ausführlich in Kapitel 3.5 behandelt.
Eine vierte Besonderheit ergibt sich indirekt: ein Teil des hoch angereicherten spaltbaren Materials, das unter anderem aus dem in Mailii Su gewonnenen Uran stammt, wird wegen des teilweisen Erfolges von Abrüstungsbemühungen gerade in diesem Jahrzehnt überflüssig und wird wahrscheinlich, über die europäische Versorgungsagentur EURATOM vermittelt, als Kernbrennstoff teilweise auch in deutsche Anlagen zur Atomstromerzeugung oder in Forschungsreaktoren eingesetzt. Auf diese Weise kehrt ein Teil des Materials nach vielfachen Um- und Verwandlungen zumindest physikalisch wieder an einen seiner Ursprungsorte zurück.

2.6 Zusammenfassende Bewertung der Anlagen und Deponien

Insgesamt ergibt sich folgendes Bild der vorhandenen Anlagen und Rückstandsdeponien:

Titel Inhaltsverzeichnis Kapitelanfang

3 Anlagenzustand und radiologische Erstbewertung

In diesem Kapitel wird der Zustand der verschiedenen Anlagen und Rückstände im Hinblick auf radiologische Belastungen und Umweltrisiken diskutiert.
In Kapitel 3.1 wird auf Umfang und Qualität der vorhandenen Datenbasis hingewiesen. In weiteren Abschnitten wird der Zustand der Umweltmedien Luft (Kapitel 3.2) und Wasser (Kapitel 3.3) diskutiert. Die Auswirkungen auf dem Nahrungspfad werden in Kapitel 3.4 diskutiert. Die Stabilität der Tailingsdeponien wird in Kapitel 3.5 untersucht.
In Kapitel 3.6 werden Möglichkeiten zur Verbesserung der Datenbasis aufgezeigt.
Kapitel 3.7 faßt die radiologische Erstbewertung zusammen und setzt Prioritäten.

3.1 Umfang und Qualität der vorhandenen Datenbasis

Im Hinblick auf die radiologische Bewertung ist allgemein darauf hinzuweisen, daß aus Sicht des Verfassers die Datenlage generell als schlecht bezeichnet werden muß. Für die Tailingsdeponien liegen lediglich wenig aussagekräftige Messungen der Ortsdosisleistung an der Oberfläche (in Mikrosievert pro Stunde, æSv/h, oder in Millirem pro Stunde, mRem/h) vor. Diese Messungen der Ortsdosisleistung liefern relativ willkürliche Ergebnisse. Das Ergebnis ist z.B. von der Art und der Schichtdicke der Abdeckung abhängig sowie von deren jahreszeitlich schwankenden Wassergehalten. Einige Radionuklide, die über verschiedene Umweltmedien (z.B. Radon über die Luft) oder über den Nahrungsmittelpfad (z.B. Blei-210 über Gras/Beweidung/Fleisch) einen großen Beitrag zur Strahlenbelastung liefern können, sind über die bloße Bestimmung der Gammadosisleistung nicht mit der nötigen Auflösung erfaßbar. Die vorliegenden Messungen können so allenfalls Anhaltspunkte für die Zusammensetzung der abgelagerten Materialien liefern.
Die für die radiologische Bewertung wichtigen Untersuchungen der verschiedenen Umweltmedien selbst liegen nicht vor. Einschlägige Daten beispielsweise des Flußwassers wurden nach verschiedenen Aussagen zwar erhoben, liegen aber nicht öffentlich zugänglich vor. Bei den Umweltbehörden des Landes selbst sind die für eine zuverlässige Überwachung der Umweltmedien erforderlichen Meßgeräte (z.B. zur gammaspektrometrischen Bestimmung umweltrelevanter Radionuklide) offenbar nicht vorhanden, so daß Messungen außerhalb des Landes als Serviceleistung eingekauft werden müssen.
Aus Mangel an verläßlichen Daten erfolgt daher hier lediglich eine aus der allgemeinen Erfahrung an anderen Standorten (Deutschland, USA) begründete erste Abschätzung. Möglichkeiten der Verbesserung der Datenlage werden weiter unten diskutiert.

3.2 Luftpfad

Verschiedene Messungen und Berechnungen der Strahlenbelastung an Urangewinnungsstandorten zeigen im allgemeinen, daß die Exposition vor allem durch das gasförmige Edelgas Radon und seine Tochterprodukte bestimmt wird. Radon kann mehr als 90% der gesamten Exposition in der Umgebung solcher Anlagen ausmachen.
Radon und seine Folgeprodukte lassen sich z.B. durch entsprechende Dosimeter-Meßdosen ermitteln, die im Bereich der jeweiligen Quelle oder bei der Expositionsstelle über längere Zeit der Umgebungsluft ausgesetzt werden und die dann entwickelt und ausgezählt und mittels Eichkurve ausgewertet werden. Auch direkt messende Radonmonitore sind im Gebrauch.
Als Radonquellen sind an dem Standort Mailii Su alle in Abschnitt 2 genannten vier Anlagentypen zu berücksichtigen. Zusätzlich kommt Material aus Armerz- und Abraumhalden hinzu, das für den Haus- und Gebäudebau verwendet wurde.
In Untertagebauen baut sich Radon und seine Folgeprodukte wegen der geringen Belüftung bis zu sehr hohen Konzentrationen auf. Ohne Belüftung werden in Untertagebauen Konzentrationen von bis zu einigen 100.000 Bq/m³ erreicht (Grenzwert für neu errichtete Wohngebäude in Deutschland 250 Bq/m³). Ein Aufenthalt in dieser Atmospäre führt bereits bei kurzen Aufenthaltsdauern, wie sie z.B. für gelegentliches Spielen von Kindern typisch sind (ein bis mehrere Stunden pro Tag) zu sehr hohen Lungenbelastungen. Da die Grubenbaue für jedermann frei zugänglich sind, ist dieser Pfad als sehr relevant zu bezeichnen. Abhilfe wäre leicht zu erreichen, wenn die Grubenbaue unzugänglich verschlossen würden. Ein Entweichen von Radon aus den offenen Grubenbauen heraus kann z.B. durch Einbau eines einfachen Betonverschlusses am Zugang sehr stark vermindert werden. Die Maßnahme zur Beschränkung ist neben der Vermeidung radiologischer Belastungen auch schon deswegen zu empfehlen, da ein Aufenthalt in nicht mehr unterhaltenen Untertagebauen wegen der Gefahr von Brüchen und wegen der möglichen Anwesenheit tödlicher konventioneller Schadgaskonzentrationen (CO, CO2) lebensgefährlich sein kann.
Die in der Umgebung des Tales verteilten Armerzhalden gasen ebenfalls größere Mengen Radon aus, da es sich um hoch gasdurchlässiges und grob stückiges Material handelt und wegen des Fehlens jeglicher Abdeckung keine Behinderung des Gasaustausches mit der Umgebung erfolgt. Die Lage vieler Abraum- und Armerzhalden in engen Seitentälern dürfte besonders bei sommerlichen und austauscharmen Wetterlagen zu erhöhten Radon-Konzentrationen in der unmittelbaren Haldenumgebung führen. Da der Abstand zu dichter bewohnten Gebieten jedoch zum Teil erheblich ist, dürften daraus kaum nennenswerte Beiträge zur Gesamtbelastung erwarten sein, da die Aufenthaltsdauern beschränkt sind.
Tailingsdeponien gasen im allgemeinen die vergleichsweise größten Radonmengen aus, weil der Gehalt des Mutternuklids Radium in diesem Material am höchsten ist. Im vorliegenden Fall ist die Radonausgasung durch die Abdeckschicht aus Ton erheblich reduziert, die Schutzschicht ist eigentlich ausreichend bemessen (siehe Bild 8). Da die Tonschichten jedoch nicht durch eine feuchtigkeitshaltende weitere Schicht überdeckt sind, trocknet diese in den langen heißen Sommern am Standort vermutlich tiefgreifend aus. Dadurch entstehen Risse in der Tonschicht, die für einen erhöhten Radontransport verantwortlich sind und sich vermutlich auch bei länger anhaltenden Feuchtperioden nicht mehr vollständig schließen. Der Gastransport wird bei den Tailingsdeponien in Mailii Su vermutlich auch dadurch gesteigert sein, weil selbst nach drei Jahrzehnten noch eine erhebliche Produktion von Faulgasen (z.B. Schwefelwasserstoff H2S) in den Deponien zu bemerken ist. Es ist unklar, ob dies durch die Erzbestandteile selbst (z.B. enthaltenes schwefelhaltiges Eisenerz FeS2) oder durch anaerobe Zersetzung von Sulfat (Gips) aus der Erzlaugung und Kalk-Neutralisation herrührt. Die Gasproduktion treibt enthaltenes Radon als Trägergas mit aus und verstärkt damit die Belastungen. Auf jeden Fall wäre es wichtig, die Radonausgasung der Tailings mittels einfacher Meßgeräte über längere Perioden zu messen, die Beobachtungsergebnisse auszuwerten und daraus die Expositionsbeiträge zu bestimmen. In jedem Fall sollte bis zum Vorliegen entsprechender Messungen jeglicher Aufenthalt der allgemeinen Bevölkerung auf den Tailingsdeponien vermieden werden.
Besonders bedenklich ist die am Standort Mailii Su ebenfalls praktizierte Verwendung von Abraum- und Armerzhaldenmaterial beim Bau von Häusern und Gebäuden. Die Radonausgasung erfolgt dann direkt in Wohngebäude, wegen der hohen Aufenthaltsdauer werden hohe Expositionsraten erreicht. Die erreichten Konzentrationen können leicht ein Vielfaches der zulässigen Grenzwerte der Exposition für die allgemeine Bevölkerung erreichen, daher ist diese Praxis im Einzelfall das höchste individuelle gesundheitliche Risiko im Vergleich zu den anderen Beiträgen. Zur Behebung kann für relativ geringen Aufwand eine Messung der Radonkonzentrationen in allen Wohngebäuden, eine systematische Suche nach eingebauten Haldenmaterial aufgrund von Messungen der Ortsdosisleistung und der Austausch des Haldenmaterials, in Extremfällen die Aufgabe des Gebäudes, durchgeführt werden.
Insgesamt ist wegen der breiten Verteilung der 23 Tailingsdeponien und der größeren Verteilung des Radons bis zum Erreichen bewohnter Gebiete zu erwarten, daß nur für sehr wenige Wohnbereiche am Standort die Radonbelastung der Bevölkerung Grenzwerte radioaktiver Belastungen überschreitet. Dabei dürfte die Verwendung von Haldenmaterial im Haus- und Gebäudebau, vor allem in Mailii Su selbst (ca. 5.000 Einwohner) im Einzelfall bei weitem im Vordergrund stehen, so daß bei knappen Resourcen die kurzfristige Behebung dieser Mängel im Vordergrund stehen sollte.

3.3 Wasserpfad

Als möglicher radiologischer Belastungspfad kommen Oberflächen- und Grundwässer in Betracht. Als größere Oberflächengewässer ist der Fluß Mailii Su mit seinen Zu- und besonders seinen Abflüssen (Karadaria, Cyrdaja, danach früher Aralsee) zu berücksichtigen.
Bezüglich der Belastungen auf dem Wasserpfad kommen am Standort vor allem größerflächige Belastungen in Betracht, da eine unmittelbare Nutzung von Wasser nur mit einer Ausnahme erfolgt. Die Ausnahme betrifft diejenige Bäche in den Seitentälern, die Haldenmaterial durchfließen und gelegentlich von Rindern und Ziegen als Tränke benutzt werden sowie die für Vieh leicht zugänglichen Abflüsse von gesammeltem Oberflächenwasser von den Tailingsdeponien. Dadurch kann es zu diffusen Belastungen, vor allem durch den Fleischkonsum, kommen. Spitzenbelastungen mit Grenzwertüberschreitungen aus diesem Belastungspfad allein sind dadurch jedoch nicht zu erwarten. Es liegen darüber jedoch keine Meßergebnisse zur Absicherung vor.
Als weitere Quellen für Belastungen auf dem Wasserpfad kommen vor allem die Tailingsdeponien in Betracht, da die Abdeckschichten konstruktive (zu geringe Schichtdicke der Tonschicht) und alterungsbedingte Mängel (Versagen der Drainage, Austrocknung der Tonschicht) bei der Rückhaltung von Niederschlagswasser aufweisen, so daß mit erhöhter Sickerwasserbildung gerechnet werden muß. Es muß erwartet werden, daß vor allem mit Uranisotopen belastetes Sickerwasser aus den Tainingsdeponien in dem karstigen Kalkuntergrund versickert und unterirdisch dem Fluß zuläuft (siehe Bild 8). Meßergebnisse über Radionuklidgehalte von Sickerwasser, Flußwasser oder Bachwasser liegen nicht vor.
Schadstoffe wie Uran und andere Schwermetalle aus Halden akkumulieren meist in den Sedimenten von Bächen und Flüssen, von wo aus sie bei Überschwemmungen auf landwirtschaftlich genutzte Flächen ausgetragen werden können und auf diesem Weg zu Belastungen in Lebensmitteln führen. Das Flußwasser weist im Bereich oberhalb der Stadt Mailii Su eine besonders schnelle und turbulente Strömung auf, so daß eine wesentliche Herausbildung belasteter Sedimente im Flußtal selbst nicht zu erwarten ist. Dies ändert sich im weiteren Flußlauf, da nachfolgend verschiedentlich Ruhezonen eine Bildung akkumulierter Sedimente ermöglichen. Der Fluß Mailii Su erreicht nach ca. 10 km die Grenze zu Usbekistan und fließt dort mit weniger Gefälle. Spätestens in dortigen Ruhezonen dürften sich in den Fluß eingetragene Schadstoffe erheblich in den Sedimenten anreichern. Unklar ist, inwieweit auf dem Weg bis zu diesem Stausee das Wasser im Fergana-Tal zur Bewässerung (typische landwirtschaftliche Nutzung: Reisanbau, Weinanbau, Baumwollfelder) oder direkt als Trinkwasser verwendet wird. Eine Abschätzung der radiologischen Auswirkungen von Wasserbelastungen ist daher auf dem gegenwärtigen Kenntnisstand nicht möglich.
Verbesserungen der Datenbasis zur Abschätzung radiologischer Belastungen auf dem Wasserpfad sind durch Messungen der Radionuklidkonzentrationen im Flußwasser und in Sedimenten des Mailii Su sowie durch Beprobung von Grundwasser im Abstrom größerer Tailingsdeponien sinnvoll (vgl. Kapitel 3.6).

3.4 Nahrungspfad

Alle Armerz- und Abraumdeponien sowie die Tailingshalden sind frei zugänglich, weisen teilweise sehr saftigen Grasbewuchs auf und werden daher von der einheimischen Bevölkerung als Weideflächen für Rinder und Ziegen genutzt. Es ist von anderen Standorten her bekannt, daß vor allem das Folgenuklid Blei-210 der Uranreihe einen hohen Übergang vom Boden in Gras aufweist und darüber in die Nahrungskette gelangen kann. Meßergebnisse an diesem Standort liegen jedoch nicht vor.
Die auf den Tailingsdeponien vorhandenen Kies- und Tonschichten schützen zwar im Normalfall vor einem Übergang von Schadstoffen aus den abgelagerten Tailings in die Vegetationsschicht. Dafür sorgt bereits die Kiesschicht, da sie einem kapillaren Aufstieg von belastetem Sickerwasser entgegensteht. Es ist jedoch nicht bekannt, ob diese Schicht nicht bereits durch durchgesickertes Feinmaterial aufgefüllt ist und als Kapillarsperre untauglich geworden ist. Die Tonschicht weist schließlich eine gute Sorption für Schadstoffe auf, wegen des Eintrocknens im Sommer und der dadurch ausgelösten Rissigkeit ist aber auch die Zuverlässigkeit dieser Schutzschicht mittlerweile fraglich. Die vorhandene Abdeckung auf den größeren Tailingsdeponien bietet daher zwar einen gewissen Schutz, der jedoch nicht so zuverlässig ist, daß die Weidenutzung unbedenklich wäre.
Insgesamt sind Armerz- und Abraumhalden sowie Tailingsdeponien in keinem Fall geeignete Flächen für die Nahrungsmittelerzeugung. Von einer Nutzung sollte aus Sicherheitsgründen generell abgesehen werden. Der Versuch, eine Tailingsdeponie mittels eines Zaunes abzusperren, führte dazu, daß die Betonpfosten und der Stacheldraht von einem Einheimischen bereits nach kurzer Zeit abgebaut und auf seinem unmittelbar angrenzenden eigenen Feld säuberlich wieder aufgebaut wurden. Sanktionen gegen diese Entwendung von Schutzeinrichtungen wurden von der örtlichen Polizeibehörde nicht verhängt.

3.5 Katastrophengefahr

Katastrophengefahr besteht bei Deponien dann, wenn die Dämme größere Materialmengen an Tailings nicht mehr zurückhalten können. Am Standort Mailii Su ist ein Verlust der Dammintegrität bei einigen Deponien aufgrund von zwei unterschiedlichen geologischen Ursachen denkbar: aufgrund von Schlammabgängen und aufgrund von tektonischen Ereignissen. Diese beiden Auslöser werden im folgenden behandelt.
Im gesamten Tal besteht bei Regenfällen, vor allem im Frühjahr, aufgrund der geologischen Oberflächenstruktur die Gefahr von kleinen und größeren Erdabgängen (Muren). Ein typisches Bild zeigt sich dammabwärts der Deponie #14 (siehe Bild 13). Muren wurden in den letzten Jahren vielfach beobachtet, am Standort wird eine Häufigkeit von ca. 0,7 pro Jahr für Muren beobachtet. Der dynamische Umfang solcher Muren beträgt typisch etwa 30 m³ Material pro Sekunde. Größere regeninduzierte Erdbewegungen sind daher an einer Vielzahl von Hängen des Flußtales jederzeit zu erwarten. Sie können zu einer Schlammlawine großen Umfanges führen, der in dem engen Tal an bestimmten Engstellen (siehe Bild 7 und Bild 6) zu einem Verschluß des Abflusses führen kann. Die Folge wäre ein Aufstau größerer Wassermengen, der bei großen Muren unter Umständen auch bis an Tailingsdämme heranreichen würde (siehe Bild 10). Eine kleinere flußnahe Tailingsdeponie wurde bei einem Murenabgang bereits in der Vergangenheit in Mitleidenschaft gezogen.
Besonders durch Muren gefährdet ist z.Zt. der obere Flußabschnitt gegenüber den beiden großen Tailingsdeponien #5 und #7. Abstromseitig befindet sich an dem Fluß eine natürliche Engstelle, an der bei einem Verschluß durch Schlamm und Geröll eine Aufstauung des Flußwassers bis auf Dammniveau zu einem Verlust der Dammstabilität führen würde. Im Gefolge eines solchen Ereignisses wäre der Verlust des Einschlusses der radioaktiven Schadstoffe zu befürchten.
Zusätzlich zu Muren besteht aufgrund der geologischen Struktur in dem Flußtal ferner die Gefahr von tektonisch ausgelösten großen Erdrutschen. Dabei lösen sich größermächtige Erdschichten als Ganzes von den Berghängen und rutschen oder stürzen in das Tal. Die erste Rutschung wurde 1958 beobachtet. Eine tektonisch bedingte große Rutschung erfolgte zuletzt 1994, als sich eine größere Erdschicht etwas oberhalb der Tailingsdeponie #17 in den Fluß bewegte und durch Aufstauen des Flusses die Ansiedlung am Rand des Flusses unter Wasser setzte. Bei den tektonisch bedingten Rutschungen werden Zykluszeiten von typisch sechs bzw. elf Jahren beobachtet, so daß das nächste Ereignis dieser Art möglicherweise etwa 2000 zu erwarten wäre.
Besonders evident ist ein zu erwartender tektonischer Erdrutsch an einem hoch gelegenen Bergabschnitt, der gegenüber der ehemaligen talwärts gelegenen Aufbereitungsanlage liegt, der mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten Jahre erwartet werden muß. Vertikal direkt unterhalb des vermuteten Rutschungsbereiches liegt die Tailingsdeponie #3, auf die bei einer Rutschung wahrscheinlich ein Großteil des Erdmaterials niedergehen würde. In dieser Deponie liegen die Aufbereitungsrückstände aus sächsischem Erz der frühen Jahre mit einem sehr hohen Gehalt an Uran und seinen radioaktiven Folgeprodukten. Der Urangehalt dieses Erzes war ursprünglich so hoch, daß ein Teil dieser Tailings für eine zweite Extraktion später noch einmal durch die Aufbereitungsanlage gefahren wurde.
Bei einem Absturz größerer Erdschichten auf diese Deponie sowie möglicherweise auch auf die benachbarte Deponie #9 ist zu erwarten, daß es durch die hohe Auflast zu einer Verflüssigung der darin abgelagerten Schlämme kommt (Thixotropie-Effekt), daß dadurch die Dammanlagen brechen und sich die Tailings teilweise - oder je nach Rutschungsverlauf auch als Ganzes - in den darunterliegenden Fluß ergießen. Mit finanzieller und sachlicher Hilfe der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe wurde im Zentrum der zu erwartenden Rutschung eine Meßeinrichtung installiert, die bei größerer Dehnung im Rutschungsbereich Alarm gibt und eine Evakuierung potentiell betroffener Menschen in der Fabrik und im Oberlauf des Flusses ermöglicht. Eine Verhinderung der Rutschung ist damit jedoch nicht möglich.
Ein drittes Charakteristikum des Standortes mit geringerem, aber nicht zu vernachlässigendem Gefährdungspotential sind die Vielzahl kleiner Tailingsdeponien am Rand von Bächen und Flüssen. Bereits bei größeren Überschwemmungen kann deshalb ein Eintrag von Tailingsmaterial in den Fluß erfolgen.
Sowohl ein Aufstauen des Flusses durch Muren mit Integritätsverlust von Dämmen als auch Erdrutsche mit nachfolgendem Ausfließen von Deponien würden zu einem Einspülen von größeren Deponieinhalten in den Fluß führen. Eine Freisetzung des Inhaltes von Tailingsdeponien würde zu einem Transport des in den Fluß eingespülten Teiles mit dem Gewässern führen und einer weitgehend nicht mehr rückholbaren Verteilung der Schadstoffe über den weiteren Flußverlauf. Je nachdem, wie rasch und erfolgreich danach jede weitere Nutzung des Flußwassers unterbunden werden kann, kann sich das Material weiter verteilen (Bewässerung, Wasserversorgung etc.).
Die radiologischen Auswirkungen solcher Ereignisse sind von einer Reihe von Parametern abhängig, u.a. von

Es muß nach den Erfahrungen z.B. mit bereits vorgekommenen Dammbrüchen (z.B. im Südwesten der USA) davon ausgegangen werden, daß eine Rückholung einmal in den Fluß freigesetzter Schadstoffinventare praktisch kaum mehr möglich ist. In der Folge wären jahre-, unter Umständen auch jahrzehntelange Nutzungseinschränkungen im Unterlauf erforderlich, um die Folgen radiologischer Belastungen wirksam begrenzen zu können.
Die Folgen solcher Ereignisse wären sehr hoch und überschreiten voraussichtlich für eine begrenzte Personenanzahl auch international gültige Grenzwerte radiologischer Belastungen, sofern rigide Nutzungsbeschränkungen nicht durchsetzbar sind. Als zweiter und möglicherweise sehr viel wichtigerer Effekt tritt jedoch aufgrund der großen Verdünnung und Verteilung der Schadstoffinventare auf eine sehr große Anzahl verschiedener Belastungspfade und betroffener Personen sowie aufgrund der Langfristigkeit der Belastungen eine diffuse Verteilung auf, die zwar vom individuellen Risikostandpunkt her nicht relevant ist, aber kollektiv große Schäden verursachen kann.
Da eine Stabilisierung der rutschungs- oder schlammlawinengefährdeten Bergbereiche selbst kaum realisierbar erscheint und eine Abstützung der Dämme der Deponien wegen der steilen und engen Hanglagen ebenfalls kaum praktisch realisierbar wäre, ergibt sich daraus die dringende Notwendigkeit, zumindest die unmittelbar und kurzfristig gefährdeten Bereiche so rasch als möglich an einen sichereren Standort zu verbringen. Dies betrifft in kurzfristiger Perspektive mindestens die Tailingsdeponien #3 und #9. Längerfristig (ca. 100 Jahre) sind jedoch fast alle Tailingsdeponien an Standorten abgelagert, die nicht als dauerstabil und wartungsfrei bezeichnet werden können, da die Standortauswahl nicht mit der aus heutiger Sicht nötigen Sorgfalt erfolgte.

3.6 Möglichkeiten zur Verbesserung der Datenbasis

Aufgrund der standortspezifischen Verhältnisse ergeben sich die folgenden Bereiche, in denen eine Verbesserung der Datenbasis sinnvoll ist. Gleichzeitig sind die Mittel angegeben, mit deren Hilfe diese Verbesserung der Datenbasis erfolgen kann.
Bezüglich der Belastungen durch Radon sollten am Rande der Wohngegenden und im Randbereich der größeren Tailingsdeponien integrierende Meßgeräte für Radonfolgeprodukte installiert werden. Durch jahreszeitlich spezifizierte Auswertungen der Meßergebnisse wird eine verläßliche Aussage über quantitative Belastungen am Standort ermöglicht. Die Belastungen in einzelnen Wohnhäusern, von denen bekannt ist, daß sie unter Verwendung von Haldenmaterial errichtet wurden, kann mit einfachen Meßdosen ermittelt werden, die für einige Monate dort ausgelegt werden und dann eingesammelt und ausgewertet werden. In denjenigen Fällen, in denen unklar ist, ob Haldenmaterial verwendet wurde, kann mit relativ einfachen Mitteln eine Aufnahme der Gammadosisleistung vorgenommen werden.
Der Zustand und die Effektivität der Abdeckschichten auf den größeren Tailingsdeponien kann mittels Radonexhalationsmessungen ermittelt werden. Auch diese Messungen sind mit geringem Aufwand möglich. Ergeben im ersten Durchgang durchgeführte drei bis vier verschiedene Messungen auf der Abdeckfläche eine sehr große Bandbreite an Ergebnissen, dann liegt ein sehr uneinheitlicher Zustand der Abdeckschichten vor und die Messungen müssen in weiteren Durchgängen verdichtet werden. Liegen verläßliche Meßergebnisse vor, dann kann mittels eines Ausbreitungsmodelles die radiologische Bewertung vorgenommen werden.
Die Überwachung des Wassers auf relevante Radionuklide erfordert mindestens die Bestimmung der Radionuklide Uran-238, Radium-226 und Blei-210 sowohl im Fließwasser als auch in Sedimenten im Unterlauf des Mailii Su. In denjenigen Fällen, in denen Halden in Bächen liegen, ist eine Beprobung des Wassers oberhalb (Nulleffekt) und unterhalb der Halde sinnvoll.
Ferner ist die Beprobung von Grundwässern im Abstrom von größeren Tailingsdeponien sinnvoll. Dazu müssen Bohrungen gesetzt werden, die - sofern im Einzelfall geologisch sinnvoll - eine Probenentnahme aus verschiedenen Grundwasserhorizonten ermöglichen. Die Bestimmung der eingangs genannten Radionuklide ist für eine Erstuntersuchung sinnvoll.
Die Untersuchung von Nahrungsmitteln, die im Untersuchungsgebiet erzeugt werden, auf die für das Wasser genannten drei Radionuklide ist als weiterer Schwerpunkt sinnvoll. Da Halden und Tailingsdeponien frei zugänglich sind, ist die Beprobung von Grasbewuchs von diesen Standorten ebenfalls sinnvoll.
Der Aufenthalt auf den abgedeckten Tailingsdeponien ist mit einer erhöhten Gammabestrahlung verbunden, da ein Teil der Gammastrahlung der Folgenuklide des Urans die Abdeckung durchdringt. Über die Gammaortsdosisleistung auf den Oberflächen liegen relativ zuverlässige Messungen vor, wenn auch die Messungen sehr von der Schichtdicke der Tonschicht und vom jeweiligen Wassergehalt dieser Schicht abhängen dürften.
Nach den Messungen liegt die Ortsdosisleistung mit 200 bis 300 nGy/h (nGy = Nanogray, entspricht 10-9 Gray) etwa beim zwei- bis maximal vierfachen der Hintergrundstrahlung (ca. 100 bis 150 nGy/h). Bei einem ganzjährigen Aufenthalt würden aus diesem Belastungspfad zusätzliche Dosisbelastungen resultieren, die mit etwas über einem 1 mSv/a (mSv = Millisievert = 10-3 Sievert) im Bereich internationaler Grenzwerte radioaktiver Belastungen liegen. Auch bei deutlich kürzeren Aufenthaltsdauern liegen die Belastungen noch oberhalb desjenigen Bereiches, der üblicherweise als vernachlässigbar bezeichnet wird, einige 10 µSv/a (µSv = Mikrosievert = 10-6 Sievert) und daher ohne jede Kontrolle und Überwachung zum allgemein zugänglichen Staatsgebiet gerechnet werden sollte.

3.7 Zusammenfassende radiologische Erstbewertung

Die aus der radiologischen Erstbewertung resultierenden Schlußfolgerungen werden folgendermaßen zusammengefaßt und nach Prioritäten geordnet:

Titel Inhaltsverzeichnis Kapitelanfang

4 Lösungsmöglichkeiten

In Kapitel 3 wurden diejenigen Bereiche identifiziert, die im Hinblick auf den radiologischen Schutz derzeit und künftig Defizite aufweisen. In diesem Kapitel sollen Lösungsmöglichkeiten und ihre inneren Zusammenhänge diskutiert werden.
In Kapitel 4.1 werden die erforderlichen Maßnahmen nach zeitlichen Prioritäten geordnet und daraus folgenden Anforderungen abgleitet. Die Lösungsmöglichkeiten »Verlagerung in Grubenbaue«, »Provisorische Umlagerung« und »Langzeitstabile Neuordnung« werden in den Kapiteln 4.2 bis 4.4 diskutiert. In Kapitel 4.5 werden die Sicherheitsanforderungen bei Verlagerungen von Tailingsdeponien diskutiert.

4.1 Zeitperspektiven und Anforderungen

Nach den in Kapitel 3 dargestellten radiologischen Betrachtungen sind bei der Betrachtung von Lösungsmöglichkeiten drei verschiedene Zeitperspektiven zu berücksichtigen:

Als ausreichend langzeitstabil wird eine Tailingsdeponie nach dem internationalen Stand von Wissenschaft und Technik nur dann zu bezeichnen sein, wenn ihre Schutzeinrichtungen zur Gewährleistung des Einschlusses der Schadstoffe (Abdeckschichten, Basisschichten usw.)

  1. für eine sehr lange Haltbarkeitsdauer technisch ausgelegt sind (200 ... 1.000 Jahre),
  2. gegen alle am Standort üblichen natürlichen Kräfte ausgelegt sind,
  3. keine dauernde aktive Unterhaltung erforderlich ist (ausschließlich passive Schutzsysteme),
  4. den Schadstoffaustrag auf ein vernachlässigbares Ausmaß begrenzen (Radon, Sickerwasser).

Entsprechende allgemeine Prinzipien der IAEA sowie einschlägige technische Regeln für das langfristige Anforderungsprofil liegen vor oder sind in Vorbereitung (z.B. in Deutschland).
Als grundlegende Eigenschaft einer Lösung ist als anspruchsvollste Anforderung zu gewährleisten, daß die Sofortmaßnahmen mit der nötigen Geschwindigkeit durchgeführt werden können. Für diesen Schritt entfallen daher von vornherein alle diejenigen denkbaren Lösungsmöglichkeiten, deren Realisierung mit unbekanntem oder absehbar zu langem Zeitbedarf oder mit zu komplizierten und durch die verantwortlich Planenden und Handelnden voraussichtlich nicht beeinflußbaren Rahmenbedingungen verbunden wären. Die technischen Mittel zur Realisierung müssen entsprechend der am Ort vorhandenen Resourcen relativ einfach und verfügbar sein.

4.2 Möglichkeit 1: Ablagerung in einem untertägigen Grubenbau

Als eine der denkbaren Lösungen wird diskutiert, die Tailingsdeponie #3 in die vorhandenen offenen Grubenbaue einzubringen. Dazu würden etwa 1.100 Lastwagenladungen zu je etwa 10 t Nutzladung beladen, zu einem von der Größe her geeigneten Grubenbau transportiert, müßten dort entweder in ein kleineres Transportfahrzeug umgeladen werden, mit dem die Tailings im Stollen an den Ablagerungsort gebracht und dort abgelagert werden können, oder sie müssen in eine über Pipeline förderbare Form gebracht und auf diese Weise in den Ablagerungsbereich gepumpt werden.
Diese Lösung hätte folgende Eigenschaften:

Die Summe der genannten Eigenschaften der Untertage-Ablagerung sollte dazu führen, daß diese Lösung nur dann verfolgt wird, wenn alle genannten Probleme befriedigend gelöst werden könnten. Dies ist unter der Randbedingung einer raschen Realisierung der Lösung unrealistisch.

4.3 Möglichkeit 2: Provisorische Umlagerung

Um der Dringlichkeit der erforderlichen Umlagerung vor allem der Deponie #3 an einen sichereren Standort Rechnung zu tragen und eine rasche Realisierbarkeit dieses Vorhabens zu erreichen, ist es denkbar, die Deponie #3 nur vorübergehend an einen anderen Ort zu verlagern. Dies könnte z.B. die Umlagerung auf eine andere bereits bestehende Tailingsdeponie oder auf einen provisorisch hergerichteten Ablagerungsort sein.
Die Verwendung einer schon bestehenden Deponie als provisorischen Ablagerungsort hätte gegenüber einem beliebigen anderen Standort den Vorteil, daß keine zusätzliche Fläche verbraucht würde und die Masse an kontaminiertem Material praktisch nicht zunehmen würde, während an einem neuen Standort die Auflagefläche zusätzlich kontaminiert würde. Diese Lösung hätte jedoch folgende Nachteile:

Daraus folgt, daß eine Notlösung ohne längerfristig stabilen Hintergrund als ungünstig angesehen werden muß, viele derzeit vorhandene Probleme nur verlagert und darüber hinaus aus längerfristiger Sicht eindeutig die aufwendigere Lösung wäre.

4.4 Möglichkeit 3: Langzeitstabile Neuordnung

Aus der eingangs zusammengestellten Zeitbetrachtung ergibt sich für zu diskutierende Lösungsmöglichkeiten, daß die Verlagerung der unmittelbar gefährdeten Deponien zwar sofort realisiert werden sollte, daß aber für eine optimale Lösung die absehbar nachfolgenden, ähnliche technische und Standortanforderungen stellenden Schritte jedoch im Sinne einer vorausschauenden Planung gleich mit berücksichtigt werden sollten. Eine isolierte Lösung für die Deponie #3 z.B. wäre zwar denkbar, aber in mehrfacher Hinsicht wäre eine solche Lösung nicht optimal zu realisieren. Da eine wirklich langzeitstabile Lösung an den derzeitigen Standorten nicht möglich ist, weil keiner der Standorte gleichzeitig eine ausreichende Langzeitstabilität besitzt (typischer Betrachtungszeitraum nach Stand von Wissenschaft und Technik: einige hundert Jahre) und für die Aufnahme der anderen Tailingsdeponien ausreichende Kapazitäten aufweist, sollte eine Lösung alle Tailingsdeponien umfassen.
Das führt zu folgendem Lösungsvorschlag für den Ablauf einer langzeitstabilen Neuordnung am Standort:

  1. Kurzfristig (binnen Jahresfrist): Standortsuche für eine neu zu errichtende, langzeitstabile Tailingsdeponie mit ausreichender Kapazität für die Aufnahme der gesamten am Standort verstreut liegenden Tailings unter Einbeziehung möglichst vieler potentiell geeigneter Standorte (auch weiter entfernt gelegene!),
  2. Kurzfristig (sofort anschließend): Geologische und hydrogeologische Standortcharakterisierung,
  3. Kurzfristig (sofort anschließend): Vorbereitung zunächst eines Teiles des neuen Standortes für die sofortige Aufnahme der Mengen in der Tailingsdeponie #3, Ausrüstung einer Teilfläche mit einer geeigneten Basisschicht, Transport und Einbau dieser Menge und Aufbringen einer Zwischenabdeckung,
  4. Mittelfristig (innerhalb eines Jahrzehnts): Stufenweise Vorbereitung weiterer Teile des neuen Standortes für weitere Mengen, Transport und Einbau weiterer Tailingsdeponien (prioritär jeweils nach der aktuellen Stabilität geordnet - z.B. zuerst unmittelbar am Fluß abgelagerte Kleinstdeponien, dann die durch Muren gefährdete Deponien, danach die restlichen Tailings), jeweils mit Zwischenabdeckungen,
  5. Anschließend: Aufbringen der langzeitstabilisierenden und erosionsresistenten Deckschichten.

Mit diesem Ablauf wäre zu gewährleisten, daß sowohl die kurzfristigen Erfordernisse als auch die langfristig optimale Lösung realisierbar wird.
Für eine solche Lösung sind keine Schritte erforderlich, die nicht mit den am Ort bereits vorhandenen oder technisch relativ einfachen Mitteln bewältigbar sind. Am Ort sind insbesondere ausreichend Arbeitskräfte und andere strukturelle Voraussetzungen für die Durchführung vorhanden. Allerdings setzt diese (wie jede andere Lösung auch) voraus, daß

4.5 Radiologische Anforderungen bei Umlagerungen

Alle Lösungen für die drängenden sowie die mittelfristig zu lösenden Probleme am Standort Mailii Su sind mit einem Transport von Tailings verbunden. Bei allen Lösungen mit einem solchen Abtransport von Tailingsdeponien muß betrachtet werden, ob dabei der erforderliche radiologische Schutz für die Beschäftigten, die Bevölkerung und der Umwelt mit verfügbaren Mitteln gewährleistet werden kann.
Der Umgang mit dem Material erfordert einige Vorsicht, wenn international gültige Sicherheitsstandards vor allem bei den Beschäftigten eingehalten werden sollen. Dazu gehören vor allem die folgenden Maßnahmen:

Alle Belastungen lassen sich mit entsprechenden Meßmitteln (Personendosimetrie usw.) kontinuierlich messen und dadurch wirksam kontrollieren.
Konventionelle Transportrisiken (Unfälle) sind bei einer Verlagerung ebenfalls zu berücksichtigen und durch geeignete Maßnahmen zu begrenzen (z.B. durch Optimierung von Fahrtrouten und Wegstrecken).
Mit den genannten Maßnahmen lassen sich die bei einer Verlagerung von Tailings zu erwartenden radiologischen Belastungen so minimieren, daß dieser Schritt nicht mit besonderen Risiken verbunden ist. Verlagerungen auch von vergleichsweise viel größeren Tailingsdeponien wurden in verschiedenen Ländern (z.B. in USA) durchgeführt, es liegen also vielfache Erfahrungen über die nötigen Maßnahmen und die dabei zu erwartenden Belastungen vor.
Insgesamt sind durch eine sachgemäß durchgeführte Verlagerung keine radiologischen Belastungen zu erwarten, deren Höhe eine Rechtfertigung für ein Belassen der Tailings an den jetzigen unsicheren Standorten sein könnte.

Titel Inhaltsverzeichnis Kapitelanfang

5 Empfehlungen

Allgemein wird empfohlen,

  1. dringend alle nötigen administrativen, technischen und politischen Schritte für eine rasche Verlagerung von Tailingsdeponien an einen sichereren Standort einzuleiten und zügig zu realisieren,
  2. den Zugang zu gefährlichen (Untertagebaue, Ruine der zweiten Aufbereitungsanlage) oder potentiell gefährlichen Anlagen (Tailingsdeponien, unabgedeckte Armerz- und Abraumhalden) bis zum Vorliegen einer verläßlichen Datengrundlage zur Bewertung der Gefährdung wirksam zu beschränken,
  3. den Inhaber der Anlage fachlich (Personal, Know-How) und sachlich (Ausrüstung, Mittel) in die Lage zu versetzen und gleichzeitig zu verpflichten, den Aufgaben der Wartung, Überwachung, Kontrolle und Sanierung der Anlagen ausreichend nachzukommen.

Die folgenden nationalen Akteure könnten jeweils zur Umsetzung dieser Schritte beitragen:

Im internationalen Bereich können die folgenden Akteure beitragen:

Titel Inhaltsverzeichnis Kapitelanfang



Back to WISE Uranium